Anleitung zum Aushalten von Unterschieden
Zugegeben, es ist anstrengend.
Ein Meeting. Ein Team. Und eine Zumutung: Da sitzt ein Haufen lebendiger Unterschiede zusammengepfercht in einem Raum und Hand aufs Herz: Einige davon sind größer, als es uns lieb ist.
Die eine redet pausenlos ohne Luft zu holen, der andere schweigt, als würde er davon ausgehen, dass sich seine Gedanken per Quantenverschränkung übertragen. Der Dritte ist damit beschäftigt, sich einen Popel aus der Nase zu ziehen und irgendwo im Raum versucht unüberhörbar jemand seinen Kaffee mit dem Mund aufzuschäumen.
Doch was können wir tun, um uns das Aushalten von unterschiedlichen Gewohnheiten und Bedürfnissen etwas leichter zu machen?
Schritt eins:
Verabschiede dich von der Illusion der Gleichheit. Radikal. Wir bilden uns ja
alle gerne ein, wir seien umgeben von Wesen, die im Grunde genauso ticken wie wir selbst, nur
vielleicht mit kleinen, charmanten Abweichungen. Welch ein Irrtum!
Schritt zwei:
Mach dir klar, dass du selbst, für mindestens eine andere Person in diesem
Raum, genau dieser unerträgliche, unverständliche, andersartige Mensch bist. Eine wandelnde
Provokation. Dieser Gedanke ist bitter, er kratzt am Selbstbild, aber er hat etwas Entlastendes.
Du bist Teil des Problems! Wunderbar. Du bist also nicht nur Opfer der Andersartigkeit anderer,
sondern auch selbst eine Zumutung.
Schritt drei:
Wage mit deinem Team einen Schwebedialog. Hier dürfen nämlich alle Zumutungen
und Provokationen genau so sein, wie sie sind. Der Schwebedialog ist ein Kommunikationsformat, bei
dem es nicht darum geht, die Knoten in unseren Köpfen aufzulösen (was meistens ohnehin nicht
geht), sondern sie auszudrücken. Die Teilnehmenden bekommen Raum, um auszusprechen, was sie
tatsächlich bewegt, was sie brauchen, was sie beflügelt und was sie nicht ausstehen können. Ohne
Kommentare, ohne Urteile, ohne Änderungsdruck. Es geht um Kontakt, Verstehen und echtes
Kennenlernen.
Was dabei herauskommt?
Keine Ahnung! Aber mit Sicherheit etwas, das du alleine, in deiner eigenen, wohlgeordneten, repetitiven Gedankenwelt, niemals, wirklich niemals hättest hervorbringen können. Und vielleicht die Erkenntnis: Diese verdammten Unterschiede, diese Quelle des Ärgernisses, sie sind in ihrer Provokation ein Geschenk. Eine Wohltat. Eine Befreiung. Ja, geradezu eine notwendige Quelle der Erneuerung.